Vielleicht ordnet ja das Schreiben mal wieder meine Gedanken und Gefühle. Wie immer war das Wochenende mal wieder der reinste Marathon. Am Samstag haben wir eingekauft für das Gemeinde-Mittagessen. Und Vorbereitung...
Zwei Jungs (11 und 13) brauchen dringend positive Beziehung zu einer Vaterfigur. Also kommen sie jetzt Samstag nachmittags normalerweise in die Kirche um dort für ein Taschengeld kleine Arbeiten zu tun. Ich leite sie an und arbeite etwas mit und versuche erstmal, irgendwie an sie heranzukommen. Wirken ein bischen wie Austern - sehr verschlossen - aber ab und an merkt man, das Vertrauen wächst. Schön! Immerhin haben die Eltern bis vor ein paar Wochen bei Fehlverhalten oft damit gedroht, der Pastor würde kommen! Früher hatte man dazu den Jasy jatere. So ändern sich halt die Zeiten
Gegenabend dann mit einem Jugendlichen gesprochen der am Mittwoch Kinderstunde leiten sollte und von dem ich dann keine Stunde vorher hörte, dass er es wegen des WM-Quali-Spiels von Paraguay lieber ausfallen lässt... Ich war nicht erbaut!! Die Kinderstunde fand trotzdem statt, weil eine der Angestellten der Kindertagesstätte spontan sagt: "Kein Problem, ich geh da mal schnell die 2 km rüber und schüttel mir ne Kinderstunde aus dem Ärmel!" Wahnsinn - hab ich nur gedacht und mich sehr bei ihr bedankt. Wir sind extrem spontan!! Ich weiß garnicht mehr, wozu man überhaupt noch Dinge planen sollte - es kommt sowieso alles!!! anders.
Aber eigentlich war ich ja beim Tagesablauf von Samstag...
Ab 18. Uhr Jugendstunde. Ich wollte sie eigentlich heftigst schimpfen, weil ich den allgemeinen Schlendrian, die Unzuverlässigkeit, das Viel-zuspät-oder-nur-manchmal-kommen und das demonstrative Desinteresse einfach nicht mehr ertrage. Nicht, das ich es persönlich nehme, aber meine eigene Zeit und die vom Jugendleiter würde ich lieber an 10 anderen Stellen einsetzen als mit Leuten, die nur ihre eigene Trägheit zusammenführt. Als ich die tatsächlich rechtzeitig erschienenen 4 Herren und 2 Damen dann vor mir hatte hab ich mich heftig gebremst. Ich will ja nicht jene Strafen die mitmachen... Es gelang dann, ein gutes und ziemlich ehrliches Gespräch darüber zu führen, was wir eigentlich mit der Jugendstunde wollen, warum, was geändert werden müsste. Bis hin zum Verteilen konkreter Verantwortlichkeiten, da diese dann hoffentlich auch mehr Identifikation und Engagement bringen. Wieder zuhause muss ich noch die letzten zwei Kassenberichte ins Reine tippen - unsere Kassiererin hat keinen Computer. Ich hab einen zweiten, den ich gern in die Kirche zur allgemeinen Verfügung stellen würde, aber ich hab Angst, dass dann wieder eingebrochen wird...
Samstag auf Sonntag wird die Uhr gestellt, also eine Stunde weniger Schlaf. Joel ist bei Freunden zum Übernachten geblieben. Die fehlende Dusche und die 2-Zimmer-Bretterbude scheint ihm nichts auszumachen. Freut mich sehr, dass er einfach nur die Menschen sieht und ihre Lebensumstände ihn nicht irritieren! Werdet wie die Kinder...
Morgens kurz nach 8 ist der Nachbarsjunge da um mit zu fahren - nach einem kleinen Frühstück. Unterwegs holen wir dann noch unseren alten Freund ab, der vergessen hatte seine Uhr zu stellen. Aber er ist eh schon seit 5 wach. Kurz vor 9 kommen die ersten Leute in die Kirche, viertel nach ist sie voll und wir beginnen - Tauffest!
Eine Teenie und ein Frau ("Juana") lassen sich taufen. Eine weitere Frau (früher in anderer Gemeinde getauft) wird ebenfalls als Gemeindeglied aufgenommen.
Über "Juanas" Entschluss freu ich mich ganz besonders. Sie hat sehr heftige Kämpfe mit einer Bewegung hinter sich, die offenbar zur Sekte mutiert ist und in ihrer Nachbarschaft versucht Leute davon zu überzeugen, dass sie sowieso zu schlecht für alles sind. Gott sei Dank ist das bisher keine sehr erfolgreiche Missionsstrategie. Aber es verwirrt Leute die nach Gott suchen und hält sie fern von ihm... Doch "Angst ist nicht in der Liebe". Und bei "Juana" war Gott sei Dank die Liebe stärker! Die Taufe ist für sie jetzt auch eine Absage an jenen anderen Geist. Gott helfe ihr!!
Direkt vor dem Anfang des Gottesdienstes steht ein Mann an der Straße der schon öfter Geld für sein verunglücktes Kind wollte das inzwischen gestorben ist. Ich hatte Zweifel an seinen Geschichten, wollte aber nicht vorschnell urteilen. Diesmal sag ich ihm, wir fangen gerade an, er soll doch reinkommen - wir können nach dem Gottesdienst reden.
Das Wasser im Taufbecken ist kalt. Die Taufe ist genial und macht - ehrlich gesagt - richtig Spaß, obwohl ich zugebe dass dies vielleicht kein angemessenes Kriterium zu ihrer Beschreibung ist. Aber wenn Gott wirkt, wenn wir sehen wie er uns verändert und die Gemeinde zusammen seine Gegenwart feiert, dann ist und tut das einfach nur gut!
Als der Gottesdienst zu Ende ist wird Mittag gekocht: Herrlich dicke paraguayische Nudeln (Tallarines) und Fleischsoße! Salate, Mandioka und Obst für den Nachtisch haben die Leute mitgebracht, Fleisch und Zutaten wurden von der Gemeindekasse gekauft. Die Stimmung ist richtig gut und wir feiern begeistert!
Ich spreche neben vielen andern auch mit dem Mann der eigentlich nur um Geld bitten kam und den der Gottesdienst jetzt schon 2 Stunden aufgehalten hat. Er muss angeblich heute noch nach Buenos Aires wo diesmal seine Frau mit einem Herzproblem im Krankenhaus liegt. Das Geld was ich ihm geben will, reicht da nirgends hin. Endlich liefert er mir einen Hinweis, wie ich seine Geschichten prüfen kann, ohne ihm Hilfe zu verweigern. Ich biete an, ihn zur Bushaltestelle zu bringen - dreiviertel Stunde Fahrt mit dem Auto - und ihm dann dort das Ticket nach Buenos Aires zu kaufen. Er findet verschiedene Gründe warum das nicht geht aber wir machen aus, wenn er will wird er in einer Stunde wieder da sein. Er ist auch nach fast 2 Stunden noch nicht da - so wie ich es eigentlich erwartet hatte. Das bestätigt meine These, dass man die Ehrlichen von den Unehrlichen leicht unterscheiden kann, sobald man bereit ist nicht beim "Geld-geben" stehen zu bleiben, sondern direkte Mithilfe anbietet. Ich bin sicher, er wird es noch ein paarmal versuchen, aber Geld geb ich ihm jetzt nicht mehr so leicht und die Hilfe die ich ihm statt dessen in Zukunft anbieten werde wird er wahrscheinlich nicht annehmen. Um das herauszufinden wird er mich wohl nach einiges an Zeit kosten - aber die scheint mir so nicht schlecht investiert.
Nach dem Mittagessen fahren wir nach Hause und ich mach schnell meinen Monatsbericht für die aussendende Gemeinde fertig. Die Siesta fällt diesmal aus. Nachmittags Planungstreffen der Pastoren von 5 Gemeinden die eng zusammen arbeiten. Schriebe ich nicht das Protokoll, müsste ich befürchten einzuschlafen. Leoni bleibt mit den Kindern zu Hause. Als ich kurz nach 19 Uhr nach Hause komme, bin ich nur noch fertig. Um halb 10 sind endlich die Kinder alle im Bett und Leoni und ich können noch ein paar Worte wechseln, bevor wir auch in den Schlaf sinken. Und heute klingelte um 5:30 der Wecker - die Kinder müssen fertig gemacht werden für die Schule. Dabei sind wir noch alle viel zu fertig für irgendwas. Kurz nach 6 ein Anruf. Eine alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Ihr Bruder wohnt bei ihr im Haus. Ob ich nicht mal mit dem Bruder reden kann der vorige Nacht wieder sturzbetrunken nach Hause kam. Die Frau ist den ganzen Tag auf Arbeit und kann mich daher nur jetzt anrufen. Der Bruder hat die Kirche bisher strikt gemieden. Am liebsten würde ich sarkastisch zurück fragen: "Bin ich Jesus?" Ich spür nur zu genau, auf Schritt und Tritt, dass ich es nicht bin. Aber im Zusammenhang mit der gestrigen Taufe hab ich noch schön theologisch davon gesprochen, dass Jesus uns nach seinem Vorbild verwandeln, uns "bilden", will und das wir Glieder am Leib Christi sind, also vielleicht eine Hand oder ein Finger oder eine Kniescheibe Christi. Vielleicht bin ich ja der Blinddarm: Man kann Mist darin ablagern und kein Mensch weiß, wozu er gut ist. - Ne das klang jetzt demütiger als ich bin... Sollte auch in erster Linie lustig sein.
Ich sitze also, still vor mich hin leidend am Frühstückstisch, als völlig unvermittelt unser vierjähriger Martin seinen Mund auftut und mir Gottes Wort sagt. Zur Erklärung: Im Reliunterricht im Kindergarten haben die Jungs Bibelverse auswendiggelernt. Nicht so mein Stil aber hier absolut üblich. Es gab einen Wettbewerb für den unsere Jungs eifrig gepauckt haben und ich muss sagen, es macht ihnen richtig Spaß! Daher wiederholen sie die Verse auch zu jeder passenden und unpassenden Zeit. Sogar Ana bettelt darum, dass sie Verse wiederholen will.
Martin hatte schon immer die Gabe mit einem Zitat scheinbar willkürlich genau die gegenwärtige Situation in Worte zu fassen. Nun sitze ich da am Tisch und blase Trübsal und Martin, anstatt sein Brot zu essen, sagt auf Spanisch: "Jesus sagte: Meine Seele ist sehr traurig. Betet!" Ich vermute mal, dass das Markus 14,34 sein soll.
Mir fällt dazu eigentlich nur noch ein »Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet«.
Aber statt weiter zu schreiben sollte ich wohl lieber mal tun, was mein Sohn mir sagt.
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3 Kommentare:
ehrlich und aus dem Leben.... Danke!
Du bist Jesu Hände und Füße!!!
...und ich bin der Bauch! Was für ein Zufall: beim Mitarbeitergottesdienst meiner Gemeinde haben wir am Sonntag ein kleines "Anspiel" aufgeführt, basierend auf Paulus' Korintherbrief, die Sache mit dem Körper, das halt' alles zusammenspielt und sich nicht eines der Körperteile einfach davonmachen kann. Ich war der Bauch - der alles zusammenält, irgendwie! Wir sind keine kleinen Rädchen im Getriebe, wir sind wichtige Teile eines großen Ganzen. Und du bist für deine Gemeinde bestimmt mehr als ein Wurmfortsatz...
Danke, daß wir bei Euch in den Alltag "reinschauen" durften.
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