20.12.08

Stress-mas

Warum passiert es jedes Jahr wieder? Über Stress in der Vorweihnachtszeit zu klagen ist etwa so originell wie sich über Korruption in Paraguay auzufregen oder sich um die deutschen Schulen zu sorgen. Zigtausendmal beklagt, wissen wir alle, dass Christmas nicht zu Stressmas werden darf und soll, und dennoch hat dieses jedes Jahr neu bestätigte Wissen etwa die Halbwertszeit von guten Vornehmen für das neue Jahr.

1. Das Weihnachten in unser Kultur zum Familienfest mit hohem Anteil Stallromantik geworden ist, trägt sicherlich das Seine dazu bei. Der jährlich anfallende, in fast allen Familien simultan abgehaltene Stallgeruchs-check treibt bei vielen das Adrenalin in die Höhe und sorgt für ein anhaltend hohes Niveau von Emotionalstress. Da haben es selbst die Engelchöre schwer, ihrem "Frieden auf Erden" Gehör zu verschaffen. Dabei waren Maria und Josef offensichtlich ziemlich einsam in Betlehem.

Lösung: Eigene Erwartungen reduzieren und Erwartungen anderer im Zweifelsfall mit Gelassenheit ent-täuschen.

2. Natürlich ist auch Geld ein Faktor. Das überall sehnsüchtig erwartete Weihnachtsgeld verspricht die Sorgen des Jahres auszuzahlen und zerrinnt dann nur umso schneller durch die Finger oder in die Kehlen. Alle wollen Stall und Krippe, aber bitte nur als Schmuckstück in der besinnlichen Ecke des eigenen Palastes.

Lösung: Eigene Erwartungen reduzieren und Erwartungen anderer im Zweifelsfall mit Gelassenheit ent-täuschen.

3. Kostbarer als Geld jedoch ist die Zeit. Die freien Tage der Jahresendfeiern verführen uns zu der Erwartung, jetzt endlich das zu tun was uns ja so schrecklich wichtig ist, aber leider nie einen Platz im Alltag findet: besinnliche Stunden, Spielen mit den Kindern, Gespräche mit dem Partner, Besuche bei Freunden, längst fällige Verschönerungen am Eigenheim, jährlichen Kirchenbesuch, ausschlafen, gemütliche Festmähler ... - und bitte alles in 48 Stunden. Aber wer keine Zeit hat, wie will der Ewigkeit haben? Hinzu kommt, das in Paraguay Dezember, Januar und Februar die Ferienmonate sind, in die man alle extra Kinder- und Jugendprogramme, Ausflüge, Freizeiten, Bibelwochen usw. hineinpressen muss.

Lösung: Eigene Erwartungen reduzieren und Erwartungen anderer im Zweifelsfall mit Gelassenheit ent-täuschen. (Was mir bei diesem Punkt glaub ich am allerschwersten fällt!)

4. Richtig gute, entspannende Festtage sind voller Spontanität wie der nächtliche Besuch der Hirten - und trotzdem gelingt alles: Sprich die Familie ist grad daheim, das Kind schreit nicht, schläft nicht und hat auch nicht grad die Windeln voll, sondern lächelt entspannt und segnend. Also werden wir jedes Jahr alle Eventualitäten noch besser planen und vorbereiten, damit wir diesen Spagatt auch hinbekommen. Der eigene Perfektionismus jagt und peitscht uns zu Tode.

Lösung: Eigene Erwartungen reduzieren und Erwartungen anderer im Zweifelsfall mit Gelassenheit ent-täuschen.

5. Unweigerlich erhebt sich dann irgendwann in der Gemeinde die mahnende Stimme, wieso wir soviel in die Feiern sonstwo investieren und in der Kirche sei das Fest so einfach. Wir MÜSSTEN doch ein schöneres, besseres, abwechslungsreicheres, anspruchsvolleres, tiefgehenderes, ansprechenderes, besinnlicheres....
Schließlich hofft jeder verzweifelt, dass in diesem Jahr endlich auch in sein Leben ein bisschen mehr Erlösung dringt. Dabei wollen wir meist gerade keine Erlösung unseres Lebens, sondern nur seine Weihe. Nicht die Verwandlung, sondern nur einige nützliche Korrekturen der Details, damit im Wesentlichen alles bleiben kann wie es ist.

Und wir vergessen, dass das erhoffte Wunder vielleicht nur in Einsamkeit geschehen kann, in bescheidenen Lebensverhältnissen, in verlorener Zeit, gegen alle Planung und vor allem entgegen unserer Erwartungen an uns selbst und an andere Menschen. Anstatt darauf zu warten dass Gott endlich Mensch wird, erwarten wir von uns und andern Menschen Göttliches. Schon an Weihnachten suchen wir immer wieder den Lebenden bei den Toten. Vater, vergibt uns, denn wir wissen nicht was wir tun!

1 Kommentar:

martin hat gesagt…

gott sei dank gibt es das internet und gott sei dank hast du den blog. genial dein eintrag. ich glaube es ist das beste was ich in den letzten wochen über weihnachten gelsen habe.

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