01.02.07

Im Schatten der verträumten Bücher


Ich hatte einfach keine Zeit zum Schreiben, denn wenn es eines gibt, das wirklich noch wichtiger ist, dann ist es Lesen. Was gibt es doch für unglaubliche Bücher. Wenn man sie nicht mit eigenen Augen gelesen hätte...

Mein letztes war der "Schatten des Windes" von Carlos Ruiz Zafón. Ich könnte mich ja jetzt als schlauer Kritiker hinstellen, der euch ein oder zwei Stellen nennt, an denen das Buch noch besser sein könnte. Aber wie sagt der Schattenkönig in meiner vorletzten Eroberung so treffend: "Bücher erschaffen kannst du noch nicht, aber umbringen kannst du sie schon. Bist du sicher, dass du nicht lieber Kritiker werden möchtest?" Nein, ich möchte lieber welche schreiben und werde schon froh sein, wenn sie mal nur halbsogut sind wie diese beiden.

Beide handelten übrigens selber wieder über Literatur, über Autoren, über ein Wahnsinnswerk dass Leute zu den verrücktesten Sachen antreibt. Ich war mir sicher, dass eine solch wild wuchernde, assoziative Phantasie wie sie den "Schatten des Windes" diktiert, in Deutschland nie zu finden sei. Ist bei uns doch selbst in neueren Büchern wie im "Parfum" oder im "Schwarm" die Phantasie eher lexikalisch, ordnend, stringent, logisch, zielgerichtet. In von Kritikern als große Literatur empfohlenen Werken mag das ja anders sein, aber die kann man dafür manchmal kaum noch lesen. In meinen beiden neuen Lieblingen dagegen kommt Literatur so leicht, so unbeschwert daher, und vielleicht gerade deshalb gelingt es ihr, in die Tiefe des Menschseins zu führen, ganz nach unten.

Dieses freie Spiel mit unendlichen Möglichkeiten, dieses ständige Fallenlassen und Wiederaufnehmen von Fäden, das die Geschichte wie einen Teppich vor dem inneren Auge langsam entstehen lässt, dass erinnerte mich noch am ehesten an "100 Jahre Einsamkeit". Dabei ist man für jeden Tag dankbar, den man in diesen Geschichten verweilen darf, Atem holen, sich treiben lassen ohne Langeweile. Irgendwann hatte ich die Idee, auch mein Leben könne sich durch das Lesen des Schattens verändern: Weil ich nicht aufhören könnte zu Lesen würden meine Kinder draußen beim Spielen verunglücken, meine Frau mich wegen meiner groben Fahrlässigkeit verlassen, mein zukünftiger Job als Pastor mir wegen so zerstörter Ehe gekündigt werden. Und all diese Ereignisse würde ich stoisch abwesend über mich ergehen lassen, so lange nur das Buch nicht zu Ende ist.


Doch mein momentan vorletztes Buch überzeugte mich, dass die gleiche Fabulierlust auch in deutscher Sprache Blüten treiben kann. Ich habe mit der "Stadt der träumenden Bücher" endlich Zamonien beschritten. Nach unendlichen vielen Fantasieschriften endlich wieder mal ein Werk dieser Gattung (falls es das überhaupt wirklich ist), dass den Vergleich mit dem Herrn der Ringe nicht scheuen muss, weil es einfach ganz anders ist, ganz eigenständig. Es baut eben nicht wie 95 Prozent der andern Fantasybücher auf Entliehenem und Geklautem, dass durch hundertfaches Kopieren nie besser werden kann. Doch wenn Walter Moers klaut, dann wenigstens mit genüßlich ironischem Augenzwinkern. Oder welcher deutsche Dichterfürst würde sich gern als unter dem Namen "Ojahnn Golgo van Fontheweg" anagramatiesiert wissen? Nur Moers exessive Lust auf Fußnoten und sich in sich selbst verlierende Randbemerkungen scheint mir schon auf den ersten Blick ziemlich deutsch - aber in allerschönster Verunstaltung.

Ich bin begeistert und versucht meine schriftstellerische Karriere aufzugeben um eine Reise zu machen, ganz im Sinne von Danzelot von Silbendrechsler. Ich suche nur noch nach der richtigen Reiselektüre.

1 Kommentar:

Uli´s Blog hat gesagt…

ja robert, ich kann dich nur bestätigen. beide bücher habe auch ich mit begeisterung gelesen und verschlunge, wobei mir stadt der träumenden bücher wirklich den schlaf geraubt hat. ich war in allen welten zamoniens dabei, habe realität vergessen, vergessen wo ich bin, wie ich heiße, was ich mache....ja, verstehe dich, mit diesem buch verlässt man die welt, die man kennt und verirrt sich in eine, von der man nicht erahnt, dass sie überhaupt existieren könnte. darum hat dieses buch auch einen blogeintrag von mir verdient-im mai 2006

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