22.08.09

Bekenntnisse

Kurt Marti schreibt in "Zärtlichkeit und Schmerz", S. 120: "Mir ist kein Glaubensbekenntnis einer christlichen Konfession bekannt, dessen Haupt- und Zentralsatz lautet: `Gott ist Liebe´ (1. Johannes 4,8.16). Dementsprechend sieht die Kirchen- und Konfessionsgeschichte auch aus."

Mir scheint, dass die meisten christlichen Bekenntnisse, sofern sie nicht nur individuell sind, der heutigen Bekenntnissituation kaum noch entsprechen.
Die alten Bekenntnisse begannen beispielsweise mit Gott dem Vater als Fundament für alles Folgende. Neuere evangelikale Bekenntnisse setzen an diese Stelle die Bibel, was der individualistischen Glaubenssicherung durch persönliche Bibellese entspricht.
Als Täufer sind uns Bekenntnisse zwar überhaupt suspekt, und wie ich meine auch zu recht. Wenn ich mir dennoch ein täuferisches Bekenntniss vorstelle, dann müsste es meines Erachtens mit dem lebendigen Wort Gottes, mit Jesus beginnen, dem maßgebenden Abbild Gottes. Und wenn wir eine erfahrbare Wahrheit an den Anfang setzen möchten, wäre mit Christi Leib in seiner heutigen Gestalt zu beginnen, also mit der Kirche. Lustigerweise kommt in den meisten gängigen Dogmatiken und Bekenntnissen die Ekklesiologie immer fast am Ende, als Resultat der ganzen Gottes-, Menschen- und Rettungslehren.
Ist dies nicht genau der Punkt, der Christsein für unsere Zeitgenossen so unglaubwürdig macht? Wir sehen Kirche nur als Bewahrerin und Verkünderin großer Lehren, und achten nicht darauf, was die Kirche selber ausdrückt, durch ihr Sosein, ihre Gestalt, ihre Organisation, ihr Auftreten. Kirche legitimiert und versteckt sich als Hermes, als Götterbote. Und vergisst vor lauter Verkünden, das sie selbst Gute Nachricht ist: Christi Leib hier und heute. Gottes Stellvertreterin - nicht ex catedra, sondern aus Liebe. Nur wo Kirche als materialisierte Liebe sichtbar und erlebbar wird, werden den Menschen irgendwann auch Schöpfungslehre, Soteriologie und Eschatologie wieder glaubwürdig werden.

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